Feuerwehr01, © Feuerwehr (Lenz Steigenberger)

Lorenz Steigenberger

150 Jahre Feuerwehr Rottach-Egern

2. Kommandant, Lebensretter, 365 Tage im Dienst

Steckbrief:
Name: Lorenz Steigenberger
Geburtstag: 26.12.1996
Geburtsort: Tegernsee
Wohnort: Rottach-Egern
Worum geht’s? Lebensretter

Seit dem 16. Februar 1873 schützt die freiwillige Feuerwehr Rottach-Egern ihre Gemeinde mit dem Leitsatz: „Einer für alle, alle für einen. Gott zur Ehr, dem nächsten zur Wehr.“ Retten, Löschen, Bergen, Schützen – das waren und sind die vier Hauptaufgaben der Freiwilligen Feuerwehr. In Rottach-Egern wurde sie vor 150 Jahren mit dem Ziel gegründet, Brände zu löschen und das Leben und Eigentum der Einwohner der Gemeinde zu schützen. Heute hat sich der Aufgabenbereich vervielfacht. Was sich hingegen nicht verändert hat: Noch immer sind die Feuerwehrmänner ausnahmslos Freiwillige, die ihr Leben aufs Spiel setzen, um anderer Leben und Eigentum zu retten. Im Mai diesen Jahres feiern sie ihren 150. Jahrestag mit einem viertägigen Fest. Wir haben beim 2. Kommandant Lorenz Steigenberger Wissenswertes über die Arbeit der Feuerwehr erfahren und nach den Vorbereitungen zum Fest gefragt.

 

Die Feuerwehr hat sich über die letzten 150 Jahre stetig weiterentwickelt, um immer unterschiedlichere Gefahren zu bekämpfen. Was gehört heute alles zu den Aufgaben?

Früher sind die Feuerwehrleute hauptsächlich bei Bränden und Explosionen ausgerückt. Als die Autos auf den Straßen die Kutschen ablösten, kamen als nächstes die Verkehrsunfälle dazu. Heute sind es neben den Bränden schwere Verkehrsunfälle, Ölschäden oder Chemieunfälle, bei Hochwasser sind vollgelaufene Keller leer zu pumpen und wegen der Trockenheit auch vermehrt Waldbrände zu bekämpfen.

Wie viele aktive Mitglieder umfasst die Freiwillige Feuerwehr Rottach-Egern?

Derzeit sind wir 95 aktive Feuerwehrler, bis dato sind noch keine Frauen dabei. Zur Jugendfeuerwehr kann man ab 14 Jahren kommen. Die gesamte Grundausbildung dauert zwei bis drei Jahre und mit 16 darf man – nach der Zwischenprüfung – auch bis zu einem gewissen Gefahrenbereich mit ausrücken. Das ist wichtig, damit die Jugendlichen Erfahrungen sammeln und motiviert sind, dabei zu bleiben.

Welche Voraussetzungen sollte man mitbringen, um bei der Freiwilligen Feuerwehr dabei zu sein?

Grundsätzlich kann jeder mitmachen. Eine gewisse Fähigkeit zur Selbsteinschätzung ist allerdings wichtig. Man muss ehrlich zu sich selbst sein: Verkrafte ich es, wenn ich im Einsatz Blut sehe oder vielleicht sogar tote Menschen? Man muss für weitere Ausbildungen, wie beispielsweise zum Atemschutzgeräteträger, Spezialuntersuchungen beim Arzt absolvieren, damit man im Einsatzfall körperlich belastbar und geistig fit ist. Ein Stück weit lässt sich das trainieren. Wenn beispielsweise nachts halb vier der Piepser geht, muss man sich in einer halben Minute soweit gesammelt haben, dass man ins Auto steigen und losfahren kann. Ein paar Minuten später muss man in kompletter Ausrüstung im Löschfahrzeug sitzen, die Maske aufs Gesicht ziehen, das Gerät hinten aufschnallen und kurz darauf die Tür vom Wohnhaus aufbrechen, in dem es brennt. Aber man wird nicht ins kalte Wasser geschmissen, sondern im Laufe der Ausbildung dorthin geführt.

Es braucht also in hohem Maße Selbstdisziplin und Verantwortungsbewusstsein?

Beides ist wichtig. Wenn der Piepser geht, muss man beispielsweise abwägen, was wichtiger und zielführend ist: die Arbeit, die man gerade macht, oder sofort alles stehen und liegen lassen und zum Einsatz fahren. Es darf nie passieren, dass man in der Eile unbedacht andere Menschen gefährdet. Der Umgang mit dem Zeitdruck und Adrenalin ist ein Lernprozess und gehört genauso dazu, wie die normalen Inhalte der Ausbildung. Wichtig ist, sich im Alarmfall einen Moment zu sammeln. Mein Vater hat einen guten Satz: „Langsam, es pressiert!“ Weil am Ende ist man schneller, wenn man einen Moment innehält, kurz durchatmet und sich sammelt. Nur dann kann man planvoll vorgehen und effektiv helfen. Unnötige Hektik würde im Chaos münden, das ist nicht zielführend.

Im Ernstfall muss jeder wissen, was er zu tun hat und jeder Handgriff sitzen…

Das wird immer wieder geübt. Trotzdem ist jeder Einsatz anders, kein Szenario wiederholt sich. Man kommt hin und muss die Lage erfassen und in kürzester Zeit Entscheidungen treffen. Daher muss man improvisieren können, sich schnell den Gegebenheiten anpassen. Oft sprechen wir uns kurz mit den Gruppenführern ab und entscheiden gemeinsam. Das ist das Allerschönste: Man steht nie allein da! Wir machen das miteinand‘ und finden immer Lösungen.

Wie ist die Feuerwehr in Rottach-Egern aufgestellt?

Das große Feuerwehrhaus wurde von 1999 bis 2000 gebaut und 2019 bis 2020 noch einmal erweitert. Wir haben zehn unterschiedliche Fahrzeuge im Fuhrpark. Eines davon steht im Ortsteil Oberach. Dort ist ein zweiter Standort mit 20 Aktiven, damit wir das Feuer im Ernstfall von zwei Seiten anpacken können – ein großer Vorteil. Wir haben kürzlich ein funkelnagelneues Fahrzeug bekommen, ein All-Terrain-Vehicle, mit dem wir auch bei Einsätzen in extrem unwegsamen Berggelände Brände bekämpfen und Menschen helfen können.

Wie ist der Ablauf bei einem Einsatz?

Die Anrufer der 112 landen bei der Integrierten Leitstelle (ILS) in Rosenheim. Dort werden alle Notrufe koordiniert, vom Rettungsdienst bis zur Feuerwehr. Wenn der Notfall unseren Bereich betrifft, werden wir alarmiert, der Piepser geht und wir rücken aus. Im Einsatzfall fahren wir gestaffelt nach draußen, beginnend mit dem Einsatzleitfahrzeug, gefolgt von einem klassischen Lösch- oder Rüstzug, der aus vier Fahrzeugen besteht. Wir haben eine der vier Drehleitern im Landkreis Miesbach. Damit sind wir für Rottach, Kreuth und Bad Wiessee bis Holz zuständig. In Tegernsee steht eine weitere, sodass das ganze Tegernseeer Tal bis Waakirchen abgedeckt wird. Mit der Drehleiter helfen wir oft auch dem Rettungsdienst. Wenn ein Patient nicht durch ein Treppenhaus transportiert werden kann, transportieren wir ihn liegend über Fenster oder Balkon mit der Drehleiter.

Wie viele Einsätze habt ihr im Jahr?

Mein Papa ist seit über 40 Jahren aktiv bei der Feuerwehr. Als er anfing, haben sie etwa 25 bis 30 Einsätze im Jahr gehabt. Heute fahren wir im Schnitt jährlich zwischen 100 und 140 Einsätze, beim Hochwasser 2013 waren es sogar über 400. Im letzten Jahr hatten wir 115 Einsätze.

Was hat sich mit den Jahren verändert?

Wir rücken immer weniger wegen großen Bränden aus. Durch die Rauchmelderpflicht in Eigenheimen und den Brandmeldeanlagen in Hotels und Altersheimen ist die Brandfrüherkennung viel besser geworden, sodass viele Brände bereits im Keim erstickt werden können. Bei einem Zimmerbrand kommt ein Löschzug angefahren. Durch die Auslösung der Rauchmelder werden Wohnungsbewohner selbst oder auch oft Nachbarn aufmerksam gemacht, um die Feuerwehr zu verständigen und durch schnelles Eingreifen kann oft ein größerer Schaden verhindert werden.

Durch die Brandmeldeanalgen gibt es auch Fehlalarme. Dann rückt ihr – in eurer Freizeit (!) – umsonst aus?

Fehlalarme passieren zwar immer wieder, aber im Umkehrschluss verhindern die Brandmelder in öffentlichen Gebäuden und Hotels in jedem Fall Schlimmeres. Wenn wir beispielsweise frühzeitig einen Schwelbrand in einem Altersheim entdecken und löschen können, sind uns zehn Fehlalarme egal. Jeder Fehlalarm ist besser als ein echter Brandfall.

Gestiegene Einsatzzahlen bei weniger Bränden – der Schwerpunkt eurer Arbeit hat sich verschoben?

Das Rettungssystem ist generell überlastet, ob es die Notärzte, Rettungswägen oder auch die Bergwachten betrifft. Da können/müssen wir unterstützen. Beim „Notarzteinsatz mit vitaler Bedrohung“, wenn also jemand einen Herzkreislaufstillstand erleidet, zu ersticken oder zu verbluten droht, wird die nächstverfügbare Einheit alarmiert. Da zählt jede Sekunde. Dann gewährleisten oft wir von der Feuerwehr die Erstversorgung, indem wir Erste Hilfe leisten und die Zeit überbrücken, bis professionelle Hilfe ankommt. Wiederbelebungsmaßnahmen gehören bei uns inzwischen regelmäßig dazu. Einen Defibrillator und großen Notfallrucksack haben wir auf den Fahrzeugen immer dabei.

Worauf kommt es an, damit alles gut funktioniert?

Die Gemeinschaft ist bei der Feuerwehr einer der wichtigsten Aspekte. Das ist uns von unseren Vätern schon so vorgelebt worden. An jedem zweiten Donnerstag haben wir Aktiven Feuerwehrübung. Am dazwischenliegenden Donnerstag sitzen wir einfach zusammen. Vom 16-jährigen Burschen bis zum 70-jährigen Ex-Feuerwehrler tauschen sich dann alle aus. Früher gab es noch Konkurrenz unter den Feuerwehren der unterschiedlichen Orte, nach dem Motto: Das ist unser Feuer, das ist euer Feuer. Das hat sich geändert: Wir haben alle rote Feuerwehrautos und ein Blaulicht auf dem Dach, wir machen alle dasselbe. Bei einer größeren Einsatzlage können wir aus beiden Richtungen um den See anrücken und gemeinsam helfen. Auch dass ich in so jungem Alter schon so eine verantwortliche Stelle habe und das Vertrauen der Feuerwehrmänner genieße, die vielleicht dreißig Jahre älter sind, ist nicht ganz selbstverständlich. Der Zusammenhalt in der Gemeinschaft gibt einen großen Rückhalt. Alle helfen z’amm, auch privat.

Der „Feuerwehrfunke“ wird oft von Generation zu Generation weitergegeben…

Wir haben tatsächlich einige Familien, die seit mehreren Generationen bei der Rottacher Feuerwehr sind. Da war schon der Opa dabei, der Papa ist aktiv und nun machen auch die Söhne mit. Oftmals sind es sogar mehrere Brüder aus einer Familie und die Cousins.

Nur Mädels oder Frauen sind noch keine dabei?

Nein, bis jetzt sind noch keine Mädels oder Frauen dabei, aber es spricht natürlich nichts dagegen.

In den Städten gibt es Berufsfeuerwehren – auf dem Land ist die Freiwillige Feuerwehr noch immer ein Ehrenamt. Ist das allen Bewohnern bewusst, dass ihr freiwillig und ehrenamtlich euer Leben für sie riskiert?

Jede Gemeinde ist verpflichtet, eine Feuerwehr zur Brand- und Schadensabwendung zu unterhalten. Als Träger finanziert sie die Geräte, Fahrzeuge und das Feuerwehrhaus. Aber die Übungen und Einsätze, die Fahrzeugpflege und die Gerätewartung erfolgen komplett ehrenamtlich. Wir können uns im Tegernseer Tal und im ganzen Landkreis glücklich schätzen, dass wir feuerwehrtechnisch sehr gut aufgestellt sind, viele aktive Mitglieder und keine Nachwuchsprobleme haben. Aber tatsächlich ist das vielen Leuten nicht bewusst, dass wir das in unserer Freizeit machen.

Wie reagieren die Leute dann, wenn ihnen das bewusst wird?

Wir waren beispielsweise dreimal hintereinander bei einem älteren Herrn im Einsatz, um dem Rettungsdienst einen Zugang zur Wohnung zu verschaffen um ihn zu versorgen. Er hat mich wiedererkannt und war erstaunt: „Was für ein Zufall, jedes Mal, wenn bei mir etwas ist, haben Sie Dienst!“ Darauf habe ich erwidert: „Das ist ja logisch, ich habe vierundzwanzig Stunden an dreihundertfünfundsechzig Tagen im Jahr Dienst.“ Das können sich die Leute tatsächlich schwer vorstellen.

Entsprechend wichtig ist auch die Nachwuchsarbeit? Wie wird die Jugend an die Arbeit der Feuerwehr herangeführt?

Wir haben Jugendprogramme, mit denen wir die Jugendlichen ansprechen. Regelmäßig veranstalten wir einen Tag der Offenen Tür und auch die Kindergärten und Grundschulen kommen immer wieder zu uns. Die Kinder sind richtig stolz, wenn sie schon wissen, dass sie im Notfall die 112 wählen müssen. Die Jugendausbildung findet über eine modulare Truppausbildung bei uns statt. Gewisse Ausbildungsthemen sind auf Landkreisebene zusammengefasst, dann lernen sich die Jugendfeuerwehrler auch untereinander kennen.

Wer gemeinsam so viel leistet, darf auch gemeinsam Erfolge feiern. Dass ihr euch auf euer Fest zum 150. Jahrestag freut und dass das bärig wird, sieht man in eurem Film. Wie ist der entstanden?

Wir haben bereits vor anderthalb Jahren ein Festausschussgremium gegründet und beschlossen, groß zu feiern. 150 Jahre als Gemeinschaft, weiß Gott wie viele Einsätze gemeistert und Menschenleben gerettet, das ist doch ein guter Grund zum Feiern! Wir wollten möglichst viele Leute einladen, mitzufeiern. Und es sollte nicht alles so ernst sein, sondern ein Gaudi werden. Da hatten wir die Idee, einen Film zu drehen. Umgesetzt haben wir ihn gemeinsam mit Robert Straßburger von „Upperbavaria Films“ und Sebastian Ulmer von „Luftbuidl“. Mitgemacht haben der Voitlhof zum Zotzn, die Hutmacherei Wiesner, die Tegernseer Tanzlmusi, der Oimara, die Brauerei Tegernsee sowie viele Mitwirkende der eigenen Feuerwehrmannschaft – eine Mordsgaudi! Wir freuen uns, dass der Film so gut ankommt und hoffen, dass viele Leute unserer Einladung folgen.

Und was erwartet die Gäste beim Jubiläumsfest?

Wir feiern vier Tage lang (!) am Birkenmoos. Festauftakt ist am 18. Mai: Bieranstich mit Landrat, Bürgermeister und drei Musikkapellen. Am Abend spielt die Tegernseer Tanzlmusi und Saso Avsenik mit seinen Oberkrainern. Am Freitag geht’s im Festzelt weiter mit einem Wettbewerb der Landkreisfeuerwehren, „Firetruck-Pulling“ und anschließender „Voibrand Party“. Am Samstag ist der große Familientag. Da wollen wir die „Faszination Feuerwehr“ weitergeben, mit Kinderhüpfburg, Fahrzeugausstellung, Drehleiterfahrten und kleinen Rundfahrten mit Löschfahrzeugen. Dort wird ein vergünstigter Mittagstisch angeboten und der Burschenverein lädt die Senioren des Ortes auf Kaffee und Kuchen ein. Am Abend gibt’s unter dem Motto „Feuer und Flamme“ ein großes Konzert: Der Oimara aus Rottach-Egern, Lenze & de Buam aus dem Unterland und Melissa Naschenweng, Schlagerstar aus Österreich, treten auf der Bühne auf. Der Festsonntag ist der eigentliche feierliche Tag der Feuerwehr. Dann gibt es einen Kirchenzug zum Kurpark mit dortiger Feldmesse und Fahrzeugweihe. Anschließen bewegt sich der große Festzug mit historischen Feuerwehrfahrzeugen und Oldtimern durch den Ort zurück zum Festplatz. Dort wird der Festakt dann noch bis zum Abend fortgesetzt.

Persönlicher Gruß von Lorenz: Kommt zum Fest, feiert mit uns gemeinsam unser 150-jähriges Bestehen und habt ganz viel Spaß und Freude mit unserem Festprogramm! Wir als Feuerwehr Rottach-Egern freuen uns ganz narrisch auf viele Besucher.

Das ausführliche Festprogramm: www.ffrottach-egern.de

Impressionen

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