Gebietsbetreuer und Ranger
Vermittler zwischen Natur und Mensch
In den Bergen unterwegs mit Gebietsbetreuern und Rangern
Mit dem Auftrag „sensibilisieren und positiv lenken“ gehen Gebietsbetreuer und Ranger auf die vielen Tagesausflügler und Sportlerinnen, Naturliebhaber und Erholungssuchenden rund um den Tegernsee zu. Durch Informationen und freundliche Appelle wollen sie mehr Schutz für die sensible Natur erreichen. Denn seit der Ernennung zum „Natura 2000“-Gebiet übernimmt die Region eine wichtige Verantwortung für bestimmte Arten innerhalb der Fauna und Flora Europas. Dazu gehören die Raufußhühner. Deren Lebensraum darf sich nicht verschlechtern.
Bereits zehn Jahre gibt es eine Gebietsbetreuung für das Mangfallgebirge. Seit 2019 ist Florian Bossert dafür zuständig, Unterstützung erhält er inzwischen von Theresa Schöpfer. Gemeinsam mit zwei Naturschutzrangern, die beim Landratsamt angestellt sind, mit den freiberuflichen Rangern der Regionalentwicklung Oberland (REO) und den Ehrenamtlichen von der Naturschutzwacht sind sie regelmäßig „draußen“ unterwegs.
Auf dem Wallberg haben wir das Gespräch mit Florian Bossert und Theresa Schöpfer gesucht und Interessantes erfahren:
Wo trifft man euch an?
Wenn wir unserer konzeptionellen Arbeit am Schreibtisch den Rücken kehren, sind wir vor allem an den Zugängen zu den freiwilligen Wald-Wild-Schongebieten unterwegs, während die Ranger überwiegend an den rechtsverbindlichen Schutzgebieten anzutreffen sind. Die Ranger sind mit hoheitlichen Befugnissen ausgestattet und dürfen also, wenn nötig, Personalien aufnehmen und Verstöße ahnden.
Was ist eure Motivation?
Theresa: Wir sprechen manchmal mit 200 bis 300 Menschen am Tag, denen wir die Begeisterung für die Natur und die unterschiedlichen Lebewesen in unserem Gebiet mitgeben können. Jemand zu erreichen, der seine Entscheidungen künftig hinterfragt und dann sensible Gebiete im Gelände meidet, ist der schönste Lohn.
Florian: Ich habe mich schon von Kindesbeinen für die Natur begeistert, vor allem für Tiere, Vögel und Insekten. Diese Begeisterung möchte ich weitergeben und Menschen motivieren, sich für ökologische Zusammenhänge zu interessieren und wieder etwas aufmerksamer durch die Natur zu gehen. Mein Appell: Die Natur ist kein reines Outdoor Fitnessstudio, sondern auch der Lebensraum vieler Wildtiere und Pflanzen.
Wer die Berge nur als Sportstätte sieht, verpasst viel?
Nicht nur das. Es ist erschreckend, dass vielen Menschen aus der Stadt nicht nur das Verständnis für die Natur abhandengekommen ist, sondern auch für sicherheitsrelevante Themen. So können sie oft weder ihre Kondition einschätzen, noch die erforderliche Zeit für die Tour, die nötige Ausrüstung oder die manchmal schwierige Situation im Gelände. Bei den Einheimischen ist zwar das Wissen meist vorhanden, dafür ist es manchmal schwieriger, sie mit Besucherlenkungsthemen zu erreichen. Nach dem Motto: „Ich geh doch schon immer da entlang, wieso darf ich das jetzt plötzlich nicht mehr?“ Aber die Situation hat sich verändert. Seit der Pandemie gibt es kaum noch Geheimtipps, ruhige Ecken oder ruhige Zeiten.
Ein anderer Aspekt ist unsere Verpflichtung als „Natura 2000“ Gebiet. Was genau bedeutet das?
„Natura 2000“ ist ein Europäisches Schutzkonzept. Da gehören sogenannte Flora-Fauna-Habitate (FFH) und Vogelschutzgebiete (SPA) dazu. Ein Großteil des Mangfallgebirges, in dem sich auch die Region rund um den Tegernsee befindet, ist Teil dieses europaweiten Schutzgebiet-Systems. In diesen Gebieten gilt ein Verschlechterungsverbot. Das bedeutet, dass sich die Lebensumstände der kartierten Arten nicht verschlechtern dürfen. Im Fokus stehen Arten, für die das Gebiet europa- oder sogar weltweit eine hohe Verantwortung trägt. Bei uns sind das beispielsweise die Raufußhühner, weil in den Bayrischen Alpen deutschlandweit die wichtigsten Bestände vorkommen.
Wir tragen also eine große Verantwortung und Verpflichtung für die Raufußhühner?
Wenn sie bei uns aussterben, werden sie vielleicht deutschlandweit aussterben, das ist unsere Verantwortung und Pflicht. In anderen Ländern Europas haben „Natura 2000“-Gebiete den Bekanntheitsgrad von Naturschutzgebieten oder Nationalparks, da hängt Deutschland mit der Öffentlichkeitsarbeit leider noch hinterher.
Was hat es mit den Schirmarten auf sich?
Zu den Raufußhühnern gehören neben dem Haselhuhn und Alpenschneehuhn auch das Birkhuhn und das noch seltenere Auerhuhn. Das Birkhuhn ist eine Schirmart für alle Arten, die in der Latschenzone und im Übergang von Wald zur Almweide leben. Wenn wir das Birkhuhn schützen, dann schützen wir weitere Arten wie Gams und Schneehasen, aber auch Schmetterlinge wie den Thymian-Ameisenbläuling. Wenn wir das Auerhuhn schützen, schützen wir lichte Wälder mit Totholz. Davon profitieren auch andere Arten wie der Dreizehenspecht und Schalenwildarten wie der Hirsch. „Natura 2000“ setzt an diesem Schirmgedanken an.
So weit, so einfach?
Im Gegenteil. Unser Problem ist, dass die Raufußhühner unsichtbar sind. Die meisten haben schon mal eine Gams oder einen Hirsch gesehen, die wenigsten jedoch ein Auerhuhn oder Birkhuhn. Wir arbeiten sozusagen mit einem Phantom, anhand dessen wir die Leute für den gesamten Lebensraum sensibilisieren wollen. Das ist unsere Herausforderung. Das Alpenschneehuhn ist nur noch als Wintergast bei uns anzutreffen, als Brutvogel gilt es seit 2010 ausgestorben. Das Auerhuhn befindet sich aktuell im „freien Fall“ und ist auf dem besten Weg dazu, auch bei uns auszusterben.
Warum sind die Raufußhühner so bedroht?
Der Mensch greift stark in ihren Lebensraum ein. Seit der Pandemie haben wir einen Anstieg um etwa dreißig Prozent an Freizeitsuchenden in den Bergen. Besonders heikel für den Erhalt der Art ist der Winter und die Fortpflanzungszeit. Die Morgen- und Abendzeiten dienen den Tieren zur Nahrungsaufnahme. Tagsüber sind die Raufußhühner in der Deckung. Im Winter haben sie einen minimalen Bewegungsradius und bei kalten Temperaturen graben sie sich nach jeder Futtersuche wieder eine neue Schneehöhle. Dort, wo sie sich im Winter aufhalten, haben wir die Wald-Wild-Schongebiete eingerichtet. Die Balzzeit im Frühling ist außerdem eine enorm wichtige Zeit.
Wenn die Tiere im Winter tagsüber in der Deckung sind, warum sollte man trotzdem nicht durch die Schutz- und Schongebiete laufen?
Um die Nadeln, ihre einzige Nahrung im Winter, verdauen zu können, haben sie im Herbst kleine Steinchen aufgenommen. Die wirken wie ein Mahlwerk im Magen und im verlängerten Darm und verreiben die Nadeln, um die Nährstoffe freizulegen. Daher ist ihre Strategie: möglichst nicht bewegen. Da der größte Feind im Winter, der Steinadler, nur tagsüber fliegen kann, bleiben die Raufußhühner versteckt in ihren Schneehöhlen und sind dort auch sicher. Eigentlich. Denn jetzt kommt der Mensch. Mit den Spuren, die er im Schnee hinterlässt, bereitet er den Weg für Fressfeinde am Boden, für Fuchs und Marder. An eine energieraubende Flucht sind Raufußhühner aber im Winter nicht angepasst, das ist ihr Verhängnis. Das Überleben der Tiere ist somit vom Verständnis und bewusste Verzichten der Besucher abhängig – die Schongebiete funktionieren auf Freiwilligenbasis. Diese Gebiete sind im Winter sehr wichtig als Ruhezonen – egal ob Schnee liegt oder nicht.
Warum sind auch Frühjahr und Frühsommer für den Schutz der seltenen Raufußhühner so enorm wichtig?
Die wichtigste Zeit ist die Fortpflanzung. Während der Balzzeit sind die Hennen nur drei bis vier Tage empfangsbereit. Wenn sie an diesen Tagen beispielsweise durch eine Sonnenaufgangstour bei der Balz gestört werden, gibt es im ganzen Jahr keinen Nachwuchs. Normalerweise legt eine Henne sechs bis sieben Eier. Die Natur hat vorgesehen, dass vielleicht eines oder zwei der Nachkommen gefressen werden oder auskühlen, aber nicht, dass die komplette Brut ausfällt. Deswegen ist die Balz so wichtig.
Und nach der Balz?
… kommt die Brutzeit. Im Sommer sind die Küken unterwegs. Dann werden die Hunde gefährlich, die deshalb in der Fläche nicht unterwegs sein sollen, sondern immer angeleint auf den Wegen.
Wie sieht beispielsweise ein typischer Arbeitstag von euch im Frühjahr aus?
Während der Balzzeit beginnt unser Tag sehr früh. Wir sind gegen vier Uhr bereits vor Ort, bevor die ersten Sonnenaufgangsgeher unterwegs sind. Wir möchten die Menschen am Rande der sensiblen Gebiete abfangen, bevor sie diese betreten könnten, damit vor allem die Kernbalzzeit von Störungen freigehalten wird. Etwa ab neun Uhr kann man dann wieder hochgehen. Dann setzt die Thermik ein, der Steinadler ist unterwegs und die Balz für diesen Tag beendet. Wegen der kurzen Empfangsbereitschaft der Hennen versuchen wir die Balzzeit realistisch einzugrenzen, damit wir die Gebiete nicht das ganze Frühjahr sperren brauchen. Daher sind wir vorher häufig unterwegs, um die Tiere mit dem Spektiv zu beobachten und festzustellen, wo die Balzgebiete genau sind – das bedeutet „Monitoring“.
Wie groß ist die Chance, ein Birkhuhn zu sehen?
Die Wahrscheinlichkeit ist höher beim Birkhuhn, als beim sehr scheuen Auerhuhn. Manchmal haben wir das Birkhuhn aus 400 Meter Entfernung mit dem Spektiv im Fokus. Wenn wir den Wanderern das Birkhuhn aus sicherer Entfernung beim Balzen zeigen können, ist das für uns der Jackpot. Sie haben dann absolutes Verständnis und gehen eine andere als die geplante Route. Mit diesem Spezialfernrohr mit 60-facher Vergrößerung kann man sogar vom Wallberg aus sehen, wenn ein Birkhuhn am Risserkogl balzt. Wer einmal dieses einmalige gurrende Geräusch der balzenden Hühner gehört hat, wird es nie vergessen. Das hört man über Hänge hinweg.
Was wäre ein typisches Frühjahrsgespräch für Euch?
Das Balzgespräch (lacht). Im Frühjahr bis Frühsommer ist Balzzeit. Biwakieren und Sonnenaufgangstouren sind dann ein großes Problem. Die Wanderer starten gegen vier oder fünf Uhr morgens im Tal und durchschreiten einmal komplett alle Lebensräume: beginnend im Bergwald die Heimat des Auerwilds, dann weiter oben auf den Almflächen und Kammlagen die des Birkwilds. Bis sie oben ankommen, haben die Wanderer bereits all diese Lebensräume gestört. Der Sonnenaufgang am Gipfel ist daher nicht das Kern-Problem, sondern die Störungen beim Aufstieg in Nacht- und Dämmerungszeiten.
Und wie sieht euer Arbeitstag im Winter aus?
Entscheidend ist für uns der erste Tag mit Neuschnee. Dann müssen wir morgens früh da sein, um die allerersten Besucher zu lenken. Die erste Spur im Schnee muss unbedingt die naturverträglich richtige Route sein, weil alle anderen sich daran orientieren und hinterhergehen. An einem Schönwetter-Wochenende sprechen wir den ganzen Tag lang an unterschiedlichen Standorten die Vorbeikommenden gezielt an, ob sie das Thema Wald-Wild-Schongebiete kennen und klären sie darüber auf. Dabei erfassen wir auch, wie viele Besucher tatsächlich unterwegs sind und auch wie. Sind es beispielsweise mehr Skitourengeher, Schneeschuhwanderer oder Winterwanderer?
Und die Winterwanderer sollen dann auf den Wegen bleiben?
Genau, und die Schneeschuhwanderer und Tourengeher ebenfalls. Wir treffen erfreulich viele, die sich daran halten. Allerdings sind sie oft auf den „Sommerwegen“ unterwegs, die im Winter möglicherweise durch ein Schongebiet führen oder sogar lawinentechnisch gefährlich sind. Ein Beispiel ist der Weg vom Wallbergsattel über die Gamsbeobachtungsstation zum Risserkogel, ein beliebter Sommerweg, der im Winter lawinentechnisch problematisch ist. Zugleich geht er durch den Lebensraum des Birkhuhns und ist seit diesem Jahr auch ein Wald-Wild-Schongebiet.
Wie lässt sich die Sommer- und Winterweg-Thematik besser lösen?
Wir versuchen, die Besucher auf unbedenkliche Wege zu lenken. Zum Beispiel mit Schildern, welche die dort vorkommenden Tier- und Pflanzenarten vorstellen und zusätzlich wichtige Verhaltensregeln mitgeben. Dabei versuchen wir mit einer „Positiv-Beschilderung“ zu arbeiten. Vor einigen Wald-Wild-Schongebieten stehen bereits gut erkennbare gelbe Schilder des Deutschen Alpenvereins mit einem roten „STOPP – Wald-Wild-Schongebiet, bitte nicht betreten oder befahren“. Eine vorbildliche Methode hat das Bergsteigerdorf Kreuth. Dort werden im Winter die Sommer-Beschilderungen abmontiert, sodass nur die Winterwege ausgeschildert sind.
Welche Wald-Wild-Schongebiete gibt es im Tegernseer Tal?
Wald-Wild-Schongebiete werden gemeinsam von den Gebietsbetreuern, dem Alpenverein, den Förstern, der Bergwacht und den Gemeinden in typischen Winterlebensräumen von Wildtieren ausgewiesen. Alle Schongebiete bestehen derzeit nur im Winter. Weitere Gebiete für die Balz und Aufzuchtzeit sind angedacht. Das sind die hiesigen Wald-Wild-Schongebiete:
- Kammgebiet des Fockensteins
- Hirschberg Südhang
- Hirschberg zwischen Hauptgipfel und Vorgipfel
- Hirschberghaus im Latschenbereich
- Hochplatte am Steilhang
- Grubereck und Risserkogel
- Schildenstein
Auch wenn das Plateau zwischen Vor- und Hauptgipfel des Hirschbergs nicht als Wald-Wild-Schongebiet ausgewiesen ist, versuchen wir die Wintersportler zu sensibilisieren, nur bis zum Vorgipfel zu gehen.
Wie erkennt man die Wald-Wild-Schongebiete?
An den entsprechenden Schildern an den Zugängen, im Kartenmaterial des DAV und auch in den Apps Outdooractive und Alpenvereinaktiv.
Welche besonderen Wildtiere sind außer den Raufußhühnern hier beheimatet?
Da gibt es einige besondere Alpenvögel wie Mauerläufer, Alpenbraunelle, Zitronenzeisig, Ringdrossel oder Zwergschnäpper. Aber auch sehr seltene, vom Aussterben bedrohte Schmetterlinge kommen hier vor. Besonders beeindruckend ist der Steinadler. Derzeit gibt es drei Brutpaare im Tal: eines am Wallberg, eins Richtung Hirschberg und eins in den Baubergen. Januar und Februar sind die Monate, wo man am ehesten Steinadler sehen kann und am besten sieht man sie aus dem Tal. Ab Juli ist dann der Jungadler flügge, auch da hat man Chancen, den „König der Lüfte“ fliegen zu sehen.
Was gibt es zum Schutz der Steinadler zu beachten?
Am Wallberg ist ein Steinadlerhorst im Einzugsbereich der Gleitschirmflieger. Wenn der Steinadler dort tatsächlich brütet, schrauben wir auf die Gleitschirmplatz-Tafel eine Zusatztafel mit dem Hinweis an die Gleitschirmflieger, dass sie nicht dorthin fliegen sollen. Wir versuchen Einschränkungen ohne aktuellen Anlass zu vermeiden, dafür betreiben wir das regelmäßige Monitoring der Tiere. Wenn wir aber akut eine Einschränkung aussprechen, ist sehr wichtig, dass sie eingehalten wird.
Wie verhalten sich Gleitschirmflieger richtig?
Unser Appell ist: Bitte haltet euch unbedingt an die ausgewiesenen Startplätze. Denn es geht um weit mehr als um brütende Steinadler. Für die Tiere am Boden ist ein überfliegender Gleitschirm ein Stressmoment. Fliegt ein Gleitschirmflieger im Winter über ein Wald-Wild-Schongebiet, dann ist er für die Raufußhühner quasi ein Steinadler. Und aus unseren drei Steinadlerpärchen wird dann sehr schnell eine ganze Steinadler-Invasion –Stress pur für die Tiere, die sich kaum bewegen können.
Wer brütet in den Felsspalten, beispielsweise am Leonhardstein?
Kolkrabe und Wanderfalke, Alpenbraunelle, Felsenschwalbe und Mauerläufer sind die typischen Felsbrüter. Sie brüten im Steilfelsen, dort, wo keine Bodenfeinde wie Fuchs oder Marder hinkommen.
Manchmal sperrt ihr temporär auch Kletterrouten?
Am Leonhardstein beispielsweise, wenn dort gebrütet wird. Die Westwand ist zur Vogelbrutzeit für Kletterer generell gesperrt. Im letzten Jahr hat in der Westwand allerdings plötzlich der Kolkrabe gebrütet und die Wanderfalken zum Ausweichen an die Südwand gezwungen. Dann haben wir dort zur Brutzeit ebenfalls zwei Touren sperren müssen. Das Monitoring ist daher besonders wichtig, um die aktuelle Situation konkret bewerten zu können. Wir haben uns gefreut, dass schließlich im letzten Jahr drei junge Wanderfalken am Leonhardstein ausgeflogen sind.
Welche Informationen adressiert Ihr an Mountainbiker?
Ganz wichtig ist das Flucht-Thema. Auf einer freien Almfläche lässt sich oft beobachten, wie Gämsen, die in einer gewissen Entfernung stehen, sich nur ganz allmählich entfernen. Im Wald oder in der Latschenzone jedoch werden die Mountainbiker viel später wahrgenommen, vor allem, weil sie oft eine enorme Geschwindigkeit haben. Dann werden die Tiere unmittelbar aufschreckt und müssen plötzlich über mehrere hundert Meter weglaufen oder fliegen. Dazu ist ein enormer Energieaufwand nötig.
Dann spielt die Geschwindigkeit, mit der man in den Bergen unterwegs ist, eine große Rolle?
Unbedingt. Die Tiere brauchen Zeit, um sich auf die Störung einzustellen. Ein Bergläufer birgt ein größeres Störpotential als jemand, der geruhsam wandert. Geschwindigkeit macht auch im Winter einen großen Unterschied beim Tourengehen – langsames Aufsteigen und rasante Abfahren. Schneeschuhwandern und Tourengehen liegen im Trend, entsprechend viele Menschen sind im Winterwald unterwegs. Deshalb unsere große Bitte: Es ist wichtig, dass sich alle an die Wege halten und nicht quer durch den Wald gehen.
Auch die Social Media Influencer können zur Gefahr werden?
Ja, leider sogar sehr. Da werden Geheimplätze preisgegeben, die plötzlich überlaufen sind. Die Tiere sind an diesen ruhigen Stellen nicht gewohnt, dass plötzlich so viele Menschen auf einmal durchlaufen. Das bedeutet enormen Stress für sie.
Gibt es auch eine unbedenkliche Zeit, in der man unbeschwert wandern kann?
Unsere Wildschutzgebiete gelten von 1. Dezember bis 14. Juli, die freiwilligen Schongebiete aktuell nur im Winter. Nach der Balz und Brutzeit, zu den Sommerferien hin, wird es langsam unkritischer. Der „Wanderhebst“ ab Mitte August bis Oktober ist die naturschutzfachlich unproblematischste Zeit des Jahres. Der Nachwuchs ist schon etwas mobiler und robuster. Es gibt viele Beeren und genügend zu fressen und langsam beginnt Vorbereitung auf die Winterzeit. Eine Tour durch ruhiges Gelände, die man unbedingt machen möchte, sollte man daher auf den Herbst verlegen.
Um die Tour richtig planen zu können, welches Kartenmaterial empfehlt ihr?
Die Alpenvereinsaktiv App bietet die detaillierte Alpenvereinskarte mit zuschaltbaren Layern. Die Basisversion mit open-street-map ist kostenlos – und aus unserer Sicht ganz wichtig – da sind auch die Wald-Wild-Schongebiete und Schutzgebiete im Layer „Hinweise und Sperrungen“ dabei. Man kann zudem verschiedene andere Layer zuschalten, beispielsweise die Hangneigung, die sicherheitsrelevant ist.
Wie erreicht ihr die Kinder?
In den Schulen werden leider noch große Unterschiede sichtbar. In Bayrischzell und Kreuth kann man bei den Schulkindern von einem relativ großen Basiswissen ausgehen. Je weiter man sich aus den Gebirgstälern hinaus bewegt, desto geringer das Wissen um die Zusammenhänge der Natur. Diese Lücke möchten wir gemeinsam mit den Rangern in der Umweltbildung schließen. Über die Kinder erreichen wir dann oftmals auch die Eltern.
Was läuft bereits, was ist geplant?
Unser Ziel ist, mehr an Schulen zu gehen und zu informieren. Im Rahmen der Ausstellung „Raue Zeiten für wilde Hühner“, welche von März bis Juni in Tegernsee besucht werden kann, kooperieren wir beispielweise mit den Schulen im Tegernseer Tal. Die Ranger sind häufig mit den heimischen Tierarten in den Kindergärten unterwegs. Sie haben unter anderem eine Wildtierschutz-Malkampagne mit den Kindern gestartet. Die Gewinner durften dann mit zur Greifvögel-Auswilderungsstation in Otterfing. Da sind die Kinder mit großer Begeisterung dabei.
Welches Verhalten von Freizeitsuchenden in den Bergen muss am häufigsten angemahnt werden?
Abgemahnt werden können nur dort Vergehen, wo es konkrete Betretungsverbote gibt, die missachtet werden. Hauptsächlich sind es Biwakierende und Bergsportler, die die ausgewiesenen Schutzgebiete betreten. Beim Klettern werden noch oft neue Touren ohne Rücksprache eingebohrt – wenn die dann durch die Brutgebiete laufen, hätten wir uns vorab eine Rücksprache gewünscht. Die meisten unserer Schutzzonen erfordern ein freiwilliges Handeln. Dort wird in dem Sinne auch nichts angemahnt, nur sensibilisiert.
Was macht euch bei eurer Arbeit am meisten Spaß?
Wenn unsere Aufgabe, das Bewusstsein für die Natur zu erwecken, etwas bewirkt. Wir erleben manchmal, dass aus Menschen, die sich zuerst vollkommen uneinsichtig zeigen, schließlich begeisterte Naturschützer werden. Die, wenn wir uns wiedertreffen, begeistert sagen: „Ich habe bis ins Tal das Kullern der Birkhühner gehört!“ Einer ist beispielsweise später selbst freiberuflicher Ranger geworden. Das ist für uns der schönste Lohn. Das gilt auch für die Bewirtschafter der Natur. Wenn ein Almbauer bereit ist, eine Fläche vielleicht sogar aufwändiger zu bewirtschaften, wenn damit ein seltener Schmetterling geschützt wird, sind wir sehr zufrieden.
Gibt’s einen gebetsmühlenartigen Satz, den ihr oft sagt?
Mein Satz ist immer: Bitte denkt dran, dass ihr euch hier im Wohn- und Schlafzimmer der Wildtiere bewegt und dass das hier kein reines Outdoor Fitnesscenter ist. Bitte verhaltet Euch entsprechend. (Florian)
Wie unterscheidet sich die Arbeit von Gebietsbetreuern und Rangern?
Die Ranger sind fast immer „draußen“ in den Bergen und oft auch in den Schulen, während wir etwa die Hälfte der Zeit am Schreibtisch verbringen. Für die Gebietsbetreuung ist ein abgeschlossenes Hochschulstudium Voraussetzung, in unserem Fall Geoinformatik und Wildtierbiologie (Florian) sowie Forstwirtschaft (Theresa). Im Rahmen der Besucherlenkung haben wir viele konzeptionelle Aufgaben: von der Umweltbildung, dem Monitoring unterschiedlicher Tierarten und zahlreiche Umweltbaustellen bis hin zur Schulung und Vernetzung der unterschiedlichen Akteure. Dazu gehören Förster und Jäger, die Bergwacht, Almbauern und Touristen sowie Vereine und Organisationen wie der DAV, der Landschaftspflegeverband, Almwirtschaftlicher Verein und der Landesbund für Vogelschutz.
Euer Motto?
Man schützt nur, was man kennt. Darum ist es wichtig, das erlebbar zu machen. Nicht nur sagen: Ihr dürft da nicht rein, sondern auch, warum man da nicht reingehen sollte.