Die Geschichte der Leonhardifahrt
Der Heilige Leonhard gilt als der Schutzheilige der Pferde. Sein Fest wird am 6. November gefeiert. An diesem Tag wird im Bergsteigerdorf Kreuth die älteste geschichtlich bekannte Leonhardifahrt abgehalten.
Diese datiert auf das Jahr 1442. In der Dokumentation "1400 Jahre Christliches Bayern" wird dies so festgestellt.
Die nächste Aufzeichnung weist auf das Jahr 1469 hin. Ein Tegernseer Benediktiner bemerkt in einer Abhandlung über den Volksglauben: "Eine Sünde des Aberglaubens ist es, wenn man meine, ein Umritt nütze den Pferden."
Vielleicht erinnerte er sich an die Sage von der Schimmelreiterin, die den späteren Kreuther Kirchhügel dreimal umkreist haben soll. Der Sage nach soll sie auf diese Weise um den Segen des Heiligen für ihre Rösser gebeten haben.
Pfarrer Joseph Obermayr liefert mit seiner Geschichte "Die Pfarrei Gmund am Tegernsee und die Reiffenstuel" den dritten Nachweis. Die Geschichte ist auf das Jahr 1599 datiert. Unbekannten Quellen zufolge habe der Lederer Lamprecht Reiffenstuel den Paulus Kohlhauf angezeigt, "dass er ihn, vom Leonhardstag in Kreuth heimreitend, wohl bezecht, über und über geritten habe."
Es gibt jedoch keinen Hinweis, dass bis zur Säkularisation ein "Leonhardi-Ritt" mit Pferdesegnung stattgefunden hat.
Aus den "Verkündbüchern" der Kreuther Pfarrkirche geht hervor, dass an Leonhardi ein "Kreuzgang" von Egern eintraf und dass zwischen 6 und 10 Uhr feierliche Ämter für die Wackersberger, Lenggrieser, Gaißacher, Kreuther und Wiesseer abgehalten wurde. Gerne nahmen auch Tegernseer Äbte an diesen Feierlichkeiten teil. Der vorletzte Abt, Benedikt Schwarz, war alljährlich Gast am Patroziniumsfest in Kreuth und wurde auch an diesem Tag von Schlag gerührt. Er starb dort am 06. November 1787.
Unter dem damaligen Kurfürsten und späteren König Max I. Joseph wurden im Jahre 1803 religiöse Umritte jeglicher Art verboten. Erst in der Regierungszeit seines Sohnes (1833), König Ludwig I., wurde das Verbot wieder aufgehoben.
Es ist nicht bekannt, wann der Kreuther Leonhardi-Umritt – nun offiziell – wieder aufgenommen wurde.
Einen ersten Hinweis liefert ein Holzstich im Sulzbacher Kalender aus dem Jahr 1864. Im Jahr 1910 kehrte eine neue Ordnung ein. Durch den Bau der Villa Thielmann entstand nach 1900 ein Sträßlein auf der Höhe von der Pfarrkirche nach Enterfels. Erstmals war die Möglichkeit einer Umfahrt geschaffen.
Unter der Führung des Danzlbauern von Scharling wurde 1910 die erste Kreuther Leonhardi-Fahrt durchgeführt, an der 18 Wagen teilnahmen.
Mit Beginn des Ersten Weltkrieges findet sich im "Seegeist" der Hinweis: "Amt mit Pferdesegen". Die Umfahrt fiel aus und übrig blieb nur der einmalige Umritt mit den wenigen Pferden, die nicht zum Kriegsdienst eingezogen wurden. Auch nach dem Krieg wurde der Umritt beibehalten, bis endlich ein Aufschwung eintrat und 1927 wieder eine echte Leonhardi-Fahrt durchgeführt wurde. Bis 1931 beteiligten sich jeweils 13 bis 15 Gespanne, teilweise mit "lebenden" Bildern auf den Wagen. Zur Ehrung der gefallenen, ehemaligen Leonhardifahrer sah man beispielsweise "ein Kriegergrab mit Birkenkreuz und davorstehendem feldgrauen Soldaten" oder "Betende Kinder vor dem Heiligen Leonhard mit Kirch und Leonhardstein".
1932 wurde die Umfahrt wegen der Wahl des neuen Reichstages abgesagt. Trotzdem fanden sich Unentwegte, die ihren Umritt nach dem Hochamt veranstalteten.
1933 fand die Umfahrt wieder im üblichen Rahmen mit 15 Wägen (darunter einer mit Kriegergrab) statt. Der politischen Veränderung entsprechend, ritten als Vorreiter 3 SA-Männer. Es waren auch SA-Männer, die zwischen Portal und Kirchen-Eingang zu beiden Seiten "Ehrenwache" hielten.
1934 bis 1937 nahmen 13 bis 15 Wagen teil. Die Ausnahme bot sich 1935: Von 23 Wagen waren 8 mit Schulkindern aus dem südlichen Tal dabei, die vermutlich teilnehmen mussten. Mehrmals war auch der Wagen "Betende Kinder" dabei, doch der Wagen mit dem "Kriegergrab" entfiel, vermutlich wegen der neuen dunklen Wolken am politischen Himmel.
Wegen der Maul- und Klauenseuche wurde die Fahrt 1938 abgesagt. Trotz des Verbotes fanden sich Reiter zu dem einmaligen Umritt ein. 1939 entfiel die Umfahrt wegen des begonnen Krieges. 14 Reiter nahmen am zweimaligen Umritt teil, der auf Sonntag, den 05. November vorverlegt war.
In den Kriegsjahren 1940 bis 1944 fehlen Berichte zu den Umritten. Am 06. November 1944 findet sich im "Seegeist" ein Artikel: "…, dass mancher Brauch zurzeit nicht ausgeübt werden könne und deshalb nicht ganz vergessen werden wird."
1945 fanden sich nachweislich einige Reiter zu einem Umritt ein, der wahrscheinlich von den Siegermächten nicht genehmigt war.
Bereits 1946 war wieder die ersten Leonhardifahrt. Im Protokollbuch der Leonhardstoana wird folgendes erwähnt: Freundlicherweise hatten die Amerikaner den Saal vom Lehmann (Post) für die Einheimischen zur Verfügung gestellt. Nicht zu vergessen, es gab sogar Vollbier und dasselbe hob gewaltig die Stimmung. Zünftig war es und zu kurz und das gute Bier zu wenig. Die neue Zeitung "Der Hochlandbote" berichtete 1947 nur ganz kurz von der Leonhardifahrt. Bereits ein Jahr später wurde die Teilnahme von 20 Wägen und dazu Reiter gemeldet.
1949 berichtet die Zeitung "Der Tegernseer" von 17 Wagen. Ab März 1950 gibt es endlich wieder die Tegernseer Zeitung mit dem "Seegeist". Seither wird von einer Teilnahme zwischen 16 und bis zu 32 Wagen berichtet.
Mit den Vorreitern, dem Standartenreiter und den übrigen Reitern sind es oft bis zu 140 Pferde. Viele Jahre war Georg Hagn-Sternecker Vorreiter, ehe ihn Toni Mehringer um 1970 ablöste. Das Beschaffen einer eigenen Leonhardi-Standarte war das Ziel von Toni Mehringer, welches er mit Hilfe einiger Spender auch erreichte.
Das 85. Gründungsfest der "Leonhardstoana" an Kirchweih 1993 war ein besonderes: Die Standarte wurde in der Kreuther Pfarrkirche geweiht. Bereits bei der darauffolgenden Leonhardifahrt wurde sie stolz präsentiert. An diesem Tag waren erstmals Priester und Gläubige des Gründerheiligtum St. Leonhard-de-Noblat aus Frankreich zu Gast in Kreuth.
Im Jahr 2024 wurde die Kreuther Leonhardifahrt als "Immaterielles Kulturerbe" ins Bayerische Landesverzeichnis aufgenommen: "Als Besonderheit gilt das Lenken der Pferde nicht vom Wagen aus, sondern vom Sattel", heißt es in der Würdigung des Ministeriums.