Martin Goldhofer
Christbaumkugelschnitzer & Gastgeber
Wer kann schon für sich behaupten, dass er einen Beruf hat, bei dem jeden Tag Weihnachten ist? Martin Goldhofer aus Rottach-Egern kann das. Er drechselt und schnitzt das ganze Jahr über Christbaumkugeln aus Holz – allesamt filigrane Kunstwerke. Seine „Tegernseer Christbaumkugeln“ sind einzigartig, patentiert und auf der ganzen Welt begehrt. Die Gäste im Gästehaus Goldhofer „zum Bockweber“ lieben außerdem die wohlige Atmosphäre der Zimmer und Ferienwohnungen, die er selbst kunstfertig von Hand mit Holz ausgestaltet hat. In seiner Werkstatt schauen wir dem Holzkugeldrechsler und gelerntem Zimmermann über die Schulter. Es duftet fein nach Zirbe und überall liegen und stehen Holzstücke, Halbprodukte und Fertiges – und längst nicht nur Kugeln! Pumuckl lässt sich nicht blicken – wir reden also ungestört über seine Leidenschaft für das Holzhandwerk.
Steckbrief:
Name: Martin Goldhofer
Geburtstag: 22.11.1961
Geburtsort: Tegernsee
Wohnort: Rottach-Egern
Worum geht’s? Regionales Kunsthandwerk, Heimat
Beschreiben Sie den Geruch von Holz und was er in Ihnen auslöst…
Das ist der Geruch nach Wald und Freiheit. Und er bedeutet, mit den Händen zu arbeiten. Das ist meine Leidenschaft. Was man mit den Händen und einem Messer alles machen kann, sensationell!
Welches ist Ihr Lieblingsholz?
Die Zirbe! Das ist ein besonderes, seltenes Holz mit einem feinen Geruch. Zirbe hat eine beruhigende Wirkung auf das Herz-Kreislauf-System. Eine Stunde pro Tag „spart“ man an Herzschlag, wenn man in einem komplett ausgekleideten Zirbenzimmer schläft. Einige unserer Gästezimmer sind aus Zirbe. Ich beziehe meine Zirbe aus dem Stubaier Tal und dem Zillertal, also fast heimisch. Im deutschen Alpenraum enden die Berge in der Höhe, wo die Zirbe erst zu wachsen anfängt. Ansonsten verwende ich gern die heimischen Obstbäume: Zwetschge, Kirsche, Apfel. Außerdem Erle und Nussbaumholz.
Wie sind Sie aufs Drechseln und auf die Christbaumkugeln gekommen?
Mein Onkel aus Bad Tölz ist ein Holzdrechsler und 1960 nach Amerika ausgewandert. Er hat mir in den 1980er Jahren eine bemalte Kugel geschickt, die innen hohl war. Davon war ich so begeistert, dass ich mir gleich eine Drechselbank gekauft habe. Als ich einmal damit angefangen hatte, konnte ich nicht mehr aufhören. Ich bin ein Tüftler und muss immer wieder etwas Neues ausprobieren. Ein Holzwurm war ich zuvor schon, ich bin ja gelernter Zimmermann.
Aber eigentlich hatten Sie zuerst einen völlig anderen Berufswunsch?
Ich wollte Koch und Konditor werden. Bis ich 13 oder 14 Jahre alt war, habe ich immer gekocht und gebacken, riesige Torten! Dann habe ich in den Ferien bei meinem Nachbarn in der Zimmerei geholfen und da stand für mich fest: Ich werde Zimmerer. 1980 war ich Innungssieger. Der Plan war, noch die Schreinerausbildung zu machen und zu meinem Onkel nach Amerika auszuwandern. Dann starb mein Vater 1981 und ich habe direkt das Gästehaus übernommen. Aber die Leidenschaft für das Holz ist geblieben.
Die Gästezimmer haben Sie dann in Handarbeit komplett mit Holz ausgekleidet und eingerichtet…
Ich habe halt schon immer gern geschnitzt. Darum ist es bald auch nicht nur bei den Kugeln geblieben, das wäre mir zu langweilig geworden. Ich habe im Gästehaus seitdem alles schon dreimal wieder umgebaut und erneuert. Für mich geht es einfach nicht, Nichts zu tun.
Damit haben Sie ein Alleinstellungsmerkmal geschaffen – und sicherlich auch einen festen Kundenstamm für Ihre Christbaumkugeln?
Wir haben sehr viele Stammgäste, die immer wieder kommen. Die treuesten besuchen uns seit 63 Jahren. Und unsere Gäste schmücken ihre Christbäume inzwischen auch mit unseren Christbaumkugeln. Gleich nebenan sind meine Werkstatt und ein kleiner Ausstellungs- und Verkaufsraum. Da sind die ganzen Holzkunstwerke zu sehen. Und viele nehmen sich dann etwas mit nach Hause.
Ein weiteres beliebtes Souvenir aus Ihrer Werkstatt ist der „Owahogroaneroarschoindaschloga“…
Der steht auch am Frühstücksbuffet und sorgt dort für viel Freude. Ins Hochdeutsche übersetzt: Oberhagrainer – das ist unser Ortsteil – Eierschalenaufschlager. Im Handel auch bekannt als „Eiersollbruchstellenverursacher“ oder „Eierköpfer“. Unserer ist aus heimischen Hölzern und mit einer handgeschnitzten Verzierung.
Was ist Ihre Philosophie als Gastgeber?
Erst einmal soll es dem Gast gut gefallen. Und unser Gästehaus soll zugleich die Region widerspiegeln. Außerdem ist uns wichtig, dass das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmt, denn wir wollen die „normalen Leute“ ansprechen und jeder soll sich bei uns wohlfühlen. Der persönliche Kontakt ist wichtig, wir sind gern mit den Gästen im Gespräch. Vor sechs Jahren haben wir das Gästehaus an die Tochter und ihren Mann abgegeben. Meine Frau und ich vermieten noch zwei Ferienwohnungen.
Als Gastgeber und auch als Kunsthandwerker fühlen Sie sich der Region verpflichtet. Was heißt das für Sie?
Die „Christbaumkugeln vom Tegernsee“ sind mittlerweile weit über den Tegernsee hinaus bekannt. Ich repräsentiere damit unsere Region, nicht etwa nur den Ort Rottach-Egern. Daher fühle ich mich auch verpflichtet, immer wieder etwas Neues zu entwickeln. Jeder ist gefordert, in der Zeit, in der er lebt, das Alte zu bewahren, aber auch etwas Neues zu schaffen, damit es weiter geht. Wir dürfen uns nicht ausruhen auf dem, was da ist. Mein Schwiegersohn ist Schreiner, und wer weiß, vielleicht fängt er ja auch mit dem Drechseln an. Und auch meine jüngste Tochter hat das Handwerk in den Genen. Ich hoffe, dass sie es weiterführen.
Was ist das Besondere an der von Ihnen entwickelten Technik?
Es gibt die Berchtesgadener Kugeln, da werden die Muster mit V-Eisen reingeschlagen und nicht geschnitzt. Sie werden erst nachträglich hohl gedreht, dann fallen die Musterteile heraus. Mein Weg ist ein anderer: Ich drehe die Kugeln zuerst hohl und schnitze sie danach von Hand. Das hat es so noch nie gegeben. In einer einfachen Kugel stecken etwa zwei bis zweieinhalb Stunden Arbeit drin. Deckel und Spitzen drechsele ich oft aus Kirsche oder Zwetschge, das gibt einen schönen farblichen Kontrast.
Und wie genau entsteht nun eine Christbaumkugel?
Es beginnt mit der Holzbohle, die wird auf der Kreissäge aufgeschnitten. Dann werden kurze Stücke abgeschnitten, aus einem Stück mache ich zumeist vier Kugeln. Dann drechsele ich die Kugeln – zuerst die grobe Außenform, dann drehe ich sie innen hohl aus. Als nächstes zeichne ich das Motiv auf und schnitze erst grob, dann fein. Dann drehe und signiere ich noch den Deckel, denn die Kugeln sind nur echte Goldhofer, wenn mein Kürzel im Inneren des Deckels steht. Meine Frau fügt die Teile dann zusammen und fädelt zuletzt das Bändchen durch.
Wie viele Kugeln fertigen Sie etwa pro Jahr?
Zwischen 600 und 700 Stück. Ich arbeite sieben Tage die Woche, aber ich sage dazu immer: Ich arbeite ja nicht, ich spiele nur (lacht). Es macht einfach Spaß! Ich kann ich mir immer aussuchen, was als nächstes dran ist, das ist meine Freiheit. Die Hauptarbeit fällt von Weihnachten bis Oktober an, danach geht der Weihnachtsverkauf los. Dann machen wir nur noch kleinere Arbeiten, kleben beispielsweise noch die Herrnhuter Sterne zusammen, das ist sehr platzintensiv.
Sind Holzkugeln nicht zu schwer für die Zweige eines Tannenbaumes?
Eine Kugel wiegt rund 15 Gramm – das ist leicht genug. Ich schnitze auch Ostereier. Ein ausgeblasenes Hühnerei wiegt zwischen acht und zehn Gramm. Genauso leicht sind meine ausgedrechselten und geschnitzten Ostereier. Zum einen ist die Zirbe ein leichtes Holz und Kalk ist recht schwer, aber vor allem nehme ich viel Holz von innen heraus, dadurch werden sie sehr leicht.
Entstehen die Ostereier auf die gleiche Weise?
Zuerst war sogar das Ei, dann habe ich es auf die Kugeln übertragen. Angefangen hatte ich mit Kerbschnitzereien. Dann habe ich auf einem Eiermarkt gesehen, was man mit der intakten Eierschale alles machen kann, und habe mir gedacht: Das muss in Holz auch gehen. Und wie man auf Altbairisch sagt: „learning by doing“ – es hat sich allmählich entwickelt. Zuerst schnitzt man hunderte von Kugeln, bis man das Muster hat und sagt: So muss es sein. Jetzt mache ich das seit 1985 und es fällt mir immer wieder was Neues ein.
Welche Arten von Kugeln gibt es?
Eine jede Kugel ist ein Unikat. Ich habe ungefähr 20 verschiedene Typen entwickelt. Neben den Kugeln gibt es noch Tropfen, da haben mich die russischen Zwiebeltürme inspiriert. Neben den einfachen Kugeln gibt es aufwändigere, beispielsweise mit Swarovski Kristallen. In die größten Kugeln setze ich fünf geschnitzte Krippenfiguren aus Echtholz. Die Figuren kaufe ich in Südtirol und gebe sie zum Einkaufspreis weiter, sonst wäre die Kugel unbezahlbar. In diesen stecken dann etwa fünf bis sechs Stunden Arbeitszeit.
Die Christbaumkugeln sind Ihre bekanntesten Erzeugnisse, aber in Ihrer Werkstatt entsteht wesentlich mehr. Was noch?
Für die Advents- und Weihnachtszeit machen wir noch die Sterne in Herrnhuter Art. Der original Herrnhuter Stern hat 17 viereckige Spitzen, meiner hat 18. Jede einzelne Spitze ist mit dem Stemmeisen handgeschnitzt. Beliebt sind auch unsere Glocken aus Holz und die Wanduhren. Seit Corona sind Erdmöbel dazugekommen, sprich: Urnen, in Kooperation mit dem Bestattungsunternehmen Riedl in Tegernsee. Auf die Urnen schnitze ich Wunschmotive, die das Leben des Verstorbenen sinnbildlich darstellen. Wenn jemand gern in die Berge gegangen ist, kommt beispielsweise die Silhouette vom Wallberg drauf. War‘s ein Fischer, ein Boot oder Fisch. Für einen Musiker ein Violinschlüssel. Ganz nach Wunsch und individuell. Die Motive vergolde ich.
Wo kann man Ihre Holzkunstwerke kaufen?
Nach Voranmeldung kann man unseren kleinen Ausstellungsraum beim Gästehaus im Rottacher Ortsteil Oberhagrain besuchen. Auf unserer Webseite kann man online bestellen. Außerdem sind wir auf ausgesuchten, hochwertigen Kunsthandwerkermärkten und natürlich an unserem Stand beim Rottacher Advent. Da habe ich auch immer meine Schnitzwerkzeuge dabei und man kann bei der Arbeit zusehen. Viele Leute kommen jedes Jahr eigens wegen der Kugeln von weither. Sie möchten sie nicht im Internet bestellen, sondern sich selbst etwas aussuchen, und verbinden das gleich mit dem Besuch unseres schönen Adventszaubers.
Was ist das Besondere am Adventszauber am Tegernsee?
Die Qualität und Vielfalt des heimischen Kunsthandwerks! Anderswo gibt es auch Märkte mit romantischer Kulisse und Atmosphäre, aber wenn man die Stände anschaut, graust’s es einen: überall die gleiche Industrieware. Bei uns stehen ausschließlich heimische Kunsthandwerker und Gastronomen – davon können andere Weihnachtsmärkte nur träumen. Das ist unser Aushängeschild. Und darum stehe ich hier und nicht in München oder Salzburg, von wo ich oft Anfragen bekomme. Ich vertrete hier mit dem Kunsthandwerk unsere Region. Das ist doch selbstverständlich.
Wer sind Ihre Kunden?
Sie kommen aus der ganzen Welt und wir verschicken auch weltweit. Viele meiner Kunden sind richtige Sammler. Sie kommen jedes Jahr und kaufen eine Kugel hinzu. Die einfachen Kugeln kosten im Schnitt 19 Euro, da stecken aber etwa zwei Stunden Arbeitszeit drin. Ich könnte auch mehr verlangen, aber dann ist es nicht mehr meine Kundschaft. Ein normaler Mensch soll sich eine Kugel leisten können. Das ist mir die liebste Kundschaft, weil die sich ehrlich dran freuen. Wir sind glücklich, dass viele junge Leute darunter sind. Sie haben ihre erste gemeinsame Wohnung, den ersten Christbaum und fangen mit dem Sammeln an. Sie kaufen selbst welche oder lassen sich von der Oma beschenken. Uns freut, dass die Jungen wieder einen Wert in echter Handarbeit sehen.
Sie bekommen auch ungewöhnliche Aufträge – unter anderem von Posamenteuren. Was hat es damit auf sich?
Posamenteur, das ist der seltene Beruf des Quastenmachers. Bis 1926 gab es 11.000 Posamenteure in Deutschland, jetzt sind noch zwei oder drei da. Ich habe schon für sämtliche Königshäuser in Europa komplizierte, mehrteilige Holzformen für Quasten gemacht, weil das keiner mehr kann. Die Grundform wird gedrechselt, dann wird geschnitzt. Von außen wird die Quaste später mit Seidenfäden umwickelt. Einmal kam eine Quaste aus 136 Einzelteilen per Kurier vom Bolschoi Theater in Sankt Petersburg. So etwas mal in der Hand zu haben! Ich bin, wie man auf Bairisch sagt, ein Tüftler. Ich sage immer: Es geht erst dann nicht, wenn ich es nicht kann. Bis dahin probiere und tüftele ich so lange, bis ich eine Lösung habe. Das spricht sich herum.
Für Sie ist jeden Tag Weihnachten, das heißt, Sie gehen auch jeden Tag in Ihre Werkstatt?
Jeden Tag! Es gibt keinen Tag, an dem ich nichts mache. Tagsüber richte ich mir meine Rohlinge her und wenn wir auf Gäste warten oder abends vorm Fernseher werden die Kugeln geschnitzt und zusammengesetzt. Ich nehme die Kugeln und das Schnitzwerkzeug sogar mit in den Urlaub.
Wie sieht Ihr eigener Weihnachtsbaum zu Hause aus?
Natürlich mit unseren Christbaumkugeln geschmückt! Und gemischt mit anderem Kunsthandwerk aus Oberammergau, aus Berchtesgaden… Wir haben von sämtlichen Kunsthandwerkerkollegen Sachen dranhängen, auch Glaskugeln. Das ist eine schöne Mischung.
Was bedeutet „Heimat“ für Sie?
Das Schönste, was es gibt! Die Region bewahren und erhalten, das ist für mich das Wichtigste. Das Tegernseer Tal, das sind wir. Darum sage ich auch immer: Das ist eine „Tegernseer Christbaumkugel“.
Welches ist Ihr Lieblingsplatz am Tegernsee?
Das Suttengebiet. Da gibt es ein paar schöne Bänke, auf die ich mich gern setze und die Natur genieße. Dann fahre ich mit dem Rad zurück und bin wieder gestärkt. Und natürlich bei uns vor dem Haus. Ich sitze hier, schnitze meine Kugeln, schaue dabei auf den Wallberg und denke jedes Mal: Wie schön ist das denn?
Welche Freizeittipps haben Sie für Ihre Gäste am Tegernsee?
Wandern, Rad fahren, spazieren gehen – für jeden Urlauber gibt es schöne Berggipfel und Ausflugziele: der Wallberg, die Schwarzentenn Alm, Siebenhütten, Valepp… Im Winter haben wir tolle Voraussetzungen für Langlauf. Die Loipen sind immer gut gespurt und bei uns gehen sie quasi am Gästehaus vorbei. Und unbedingt ins Bräustüberl gehen, dort hockt jeder neben jedem und man lernt die Einheimischen kennen.
Ihr Motto:
Leben und leben lassen. Eine positive Einstellung bewahren, egal was kommt.
Weitere Infos:
Martin Goldhofer ist jedes Jahr mit seinen geschnitzten Kunstwerken beim Rottacher Advent zu finden.
Hier geht’s zum Gästehaus Goldhofer „Zum Bockweber“, wo sich auch sein Ausstellungsraum befindet. Besuch des Ausstellungsraumes nach Terminvereinbarung.